2014 feierte „Lady Bess“ Weltpremiere in Tokio und wurde 2017 wieder in Japan auf die Bühne gebracht. Nun kann erstmals in deutscher Sprache miterlebt werden, welche Höhen und Tiefen Königin Elizabeth I geprägt haben, ehe sie den Thron bestieg. Seit dem 19. Februar wird die Neufassung des Kunze/Levay-Musicals im UM!BAU des Theater St. Gallen aufgeführt. Wir haben das Stück besucht und berichten euch:

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Das Musical „Lady Bess“:

Das Stück von Michael Kunze erzählt die dramatische Geschichte von der bis heute prägenden Figur Königin Elizabeth I von England vor ihrer Krönung. Die historischen Ereignisse bilden hierbei deutlich das Grundgerüst für die Handlung. Die Haupthandlung beginnt im Jahr 1554, als Bess‘ Halbschwester Mary Tudor Königin über England ist. Wegen ihrem radikalen Verlangen England wieder katholisch zu machen, ist sie sowohl gefürchtet als auch unbeliebt im englischen Volk. Dieses wünscht sich Bess auf den Thron, die von Mary verachtet wird. Die Situation spitzt sich zu als Mary plant den Kronprinzen Philipp von Spanien zu heiraten. Thomas Wyatt initiiert in Folge Verschwörungen und Rebellion, die mit Bess in Verbindung gebracht werden. Mary möchte daraufhin ihre Halbschwester aus dem Weg räumen. Die Geschichte ist somit geprägt von Intrigen, Rache und Mordversuchen, aber auch von starken Frauenfiguren und Liebe. Letzteres besonders durch die fiktive Liebesgeschichte zwischen Bess und dem Künstler Robin Blake. Durch solche Ergänzungen wird die Handlung emotionaler, insgesamt ist diese sehr vielschichtig und facettenreich.

Dies spiegelt sich auch in der Musik von Sylvester Levay wider. Im Stück sind vor allem moderne Rock- und Popklänge, ebenso wie klassische Balladen zu hören. Trotzdem finden sich darin immer wieder Andeutungen an das 16. Jahrhundert. Diese machen sich durch Anklänge keltischer Melodik, charakteristische Instrumente und Rhythmik aus der damaligen Zeit bemerkbar. Durch das große Sinfonie-Orchester einschließlich Band unter der musikalischen Leitung von Koen Schoots kommt man in den Genuss eines reichen und kraftvollen Klangbilds. Dieses unterstützt die Emotionen und Stimmung auf der Bühne instrumental auf hohem Niveau.

Die Besetzung in St. Gallen:

Katia Bischoff verkörpert die junge ‚Elizabeth‘, die in dem Stück bei ihrem Spitznamen Bess genannt wird. Sie spielt und singt Bess’ starke, aber auch emotionale Seite überaus überzeugend. Während man in „Das Löwenherz in mir“ ihren starken Charakter heraushört, merkt man im Duett „Von keinem geliebt (Reprise)“ auch ihre verletzlichen Gefühle. Dadurch ist sie schnell bei den Zuschauern beliebt, ähnlich wie Elizabeth es beim englischen Volk war.

Ihre Rivalin ‚Queen Mary I.‘ wird von Wietske van Tongeren mit einer Stimmgewalt gespielt, die den ganzen Raum erfüllt. Passend zu ihrer Rolle geht ihr Gesang unter die Haut und lässt einen nahezu gehorsam erstarren. Doch auch ihre verletzliche und versöhnliche Seite spielt sie überaus glaubwürdig.

Inspiriert von den Künstlern unter Elizabeths Herrschaft wurde Anton Zetterholms Rolle ‚Robin Blake‘ geschaffen. Dieser ist ein romantischer Freigeist und singt sowohl keltisch angehauchte Songs für das Volk als auch gefühlvolle Balladen für und mit Bess. Zetterholm gelingt es diese Figur unterhaltsam und gefühlvoll darzustellen.

Auch Lukas Mayer verleiht dem Musical einen besonderen Charme und durch seinen unterhaltsamen Charakter eine neue Facette. Er spielt ‚Philipp von Spanien‘ überaus gekonnt und gesanglich stark.

Katja Berg gibt dem Stück als ‚Anne Boleyns Geist‘ eine besondere Tiefe. In rot-bläulichem Licht schreitet sie immer wieder bedächtig auf die Bühne und sorgt dabei für eine besondere Wirkung. Ihre Interaktion mit ihrer Tochter ist emotional, berührend und fürsorglich.

Ebenso fürsorglich verhalten sich Tom Zahner als Bess’ langjähriger Lehrer ‚Roger Ascham‘ und Kerstin Ibald als Bess’ mütterliche Gouvernante ‚Katherine Ashley‘. Beide stellen immer wieder ihre überzeugende Gesangskunst unter Beweis, während sie sich um Bess sorgen.

Doch auch die anderen Rollen wie u.a. Jogi Kaiser als intriganter Lordkanzler ‚Stephen Gardiner‘ und alle weiteren spielen ihre Rolle glaubwürdig und füllen diese makellos aus.

Obwohl es in „Lady Bess“ vergleichsweise eher weniger Tanzszenen gibt, zeigt auch das Ensemble immer wieder sein Talent. An vielen Stellen unterstützt es die Wirkung der Lieder durch ergreifenden Gesang. Zudem sorgt es regelmäßig für flüssige Szenenwechsel und Übergänge, die bei einer guten Inszenierung nicht wegzudenken sind.

Die Inszenierung der Neufassung:

Unter der Regie von Gil Mehmert wird das Musical im provisorischen Umbau vom Theater St. Gallen inszeniert. Das macht sich an einigen Stellen bemerkbar. Beispielsweise war an wenigen Stellen der besuchten Vorstellung die Audio-Qualität durch Mikrofon-Aussetzer etwas eingeschränkt. Außerdem ist das Bühnenbild (Christopher Barreca) eher kahl und steril gehalten. Das Grundgerüst einer Burg wird durchgängig und durch minimale Abänderungen für alle Szenen im Stück genutzt: Sei es als der alte Palast des Hatfield Houses, eine Ruine im Wald oder der Tower of London. Durch die Verschiebung einzelner Türme und den Einsatz von Licht- und Schattenprojektionen (Michael Grundner) finden die größten Veränderungen der Bühnenoptik statt. Insgesamt passt das kühl und karg wirkende Bühnenbild zum Thema und zur damaligen Tudor-Zeit. Trotzdem wirkt es gelegentlich etwas zu spartanisch. Das Gegenstück bilden die aufwendig angefertigten und detailreichen Kostüme (Falk Bauer). Mehrteilige Kostüme inklusive üppiger Pluderhosen und opulenter Renaissance-Kleider sind besondere Hingucker auf der Bühne.

„Lady Bess“ ist ein Musical mit einer spannenden historischen Handlung, die emotional und mit passender Musik begleitet erzählt wird. Die Besetzung ist hierbei durchweg sowohl schauspielerisch als auch gesanglich überragend. Obwohl das Bühnenbild wenig beeindruckend ist, imponiert das Stück visuell durch großartige Kostüme. Geringfügige technische Mängel im improvisierten UM!BAU verzeiht man in Anbetracht dessen schnell und lässt sich vom fesselnden Historiendrama mitreißen.

Weitere Informationen und Tickets für das Musical „Lady Bess“ am Theater St. Gallen erhaltet ihr hier.

Besuchte Vorstellung: 26. Februar 2022 im UM!BAU.

Vielen Dank an das Theater St. Gallen für die freundliche Bereitstellung der Pressekarten für „Lady Bess“!

(Bildquelle (c) Edyta Dufaj)

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