Nach der Veröffentlichung der Verfilmung von „Les Misérables“ in 2012 war das bekannte Musical einige Jahre nicht mehr im deutschsprachigen Raum zu sehen. Kürzlich hatte eine prominent besetzte Produktion bei den Freilichtspielen Tecklenburg Premiere, womit es auf die hiesigen Bühnen zurückkehrt. Wir haben uns die erste Aufführung angeschaut und berichten für euch:

Anzeige*

Im Stück geht es um die Geschichte des ehemaligen Sträflings Jean Valjean, der von dem Polizeiinspektor Javert verfolgt wird. Nach einer schicksalhaften Begegnung mit einem Bischoff möchte Jean Valjean zu einem guten Menschen werden, der anderen hilft und übernimmt so die Verantwortung für Fantines Tochter ‚Cosette‘. Die Geschichte spielt hauptsächlich vor dem Hintergrund der Revolution 1832 in Paris.

Die epochale Musik stammt von Claude-Michel Schöneberg, der das Stück beinahe durchkomponiert hat und geschickt mit verschiedensten musikalischen Themen arbeitet. Das 20-köpfige Orchester, unter der Leitung von Tjaard Kirsch, spielt die Partitur weitestgehend fehlerfrei und erzeugt einen sonoren Klang, der zeitweise aber noch nicht optimal auf die Sänger abgestimmt ist. Die komplexen Texte stammen aus der Feder von Alan Boubil und wurden von Heinz Rudolf Kunze  übersetzt, wobei die Übersetzung vereinzelt nicht optimal auf die Musik passt.

In der Hauptrolle des ‚Jean Valjean‘ ist Patrick Stanke zu sehen. Er nimmt die Zuschauer auf seine emotionale Reise vom Ende seiner Gefangenschaft bis zu seinem Leben und Wirken in Paris mit. Von der anfänglichen Verzweiflung nimmt man ihm die Wandlung zum herzensguten Menschen problemlos ab. Mit kräftiger Stimme meistert er die anspruchsvolle Partitur und kann ab der Ballade „Bring ihn heim“ auch mit ruhigen Tönen berühren.

Sein Gegenspieler, den Polizeiinspektor ‚Javert‘, wird von Kevin Tarte mit starker Bühnenpräsenz und Autorität dargestellt. Diese kommt im Zusammenspiel mit seiner dunklen Stimmfarbe gut zur Geltung, wobei besonders sein bedrückendes Solo im zweiten Akt hervorgehoben werden sollte.

Milica Jovanovic spielt als verzweifelte ‚Fantine‘ authentisch die aufopferungsvolle Mutter von ‚Cosette‘. Stimmlich kann sie mit ihrer emotionalen Darbietung von „Ich hab geträumt vor langer Zeit“ überzeugen.

Die erwachsene ‚Cosette‘, Daniela Braun, bildet zusammen mit dem Studenten ‚Marius‘ (Florian Peters) ein sympathisches Paar, zwischen dem die Chemie stimmt. Auch ihre klassisch ausgebildeten Stimmen harmonieren gut miteinander.

Als burschikose ‚Eponine‘ steht Lasarah Sattler auf der Bühne, die glaubhaft das taffe Mädchen gibt, aber außerhalb von Marius Blickfeld sich seine Zuneigung wünscht. In „Nur für mich“ drückt sie dies eindrucksvoll aus.

David Jakobs ist als ‚Enjolras‘ der willensstarke Anführer der Studentenbewegung, der neben seiner glaubhaften Darstellung mit kräftiger Stimme heraussticht.

Als kleinkriminelles ‚Thénadier‘-Paar sorgen Jens Janke und Bettina Meske gemeinsam den Abend über für einige Lacher.

Das Ensemble sowie der große Chor unterstützen mit einem passenden, dichten Klangteppich, wobei bei manchen Solo-Sätzen nicht alle Töne getroffen wurden. Bei Szenen wie „Herr im Haus“ tanzen sie synchron die Choreographien von Kati Heidebrecht und tragen in der Gruppe zu eindrucksvollen Bildern bei.

Neben den eben erwähnten eindrucksvollen Bildern, vor allem in den beiden Finalen, bietet die Inszenierung von Ulrich Wiggers aber auch intime, emotionale Momente auf der großen Bühne, bei denen aufgrund von vielen Details die Soli nie verloren wirken. Jedoch wirken die Kampfszenen etwas enttäuschend und stellenweise gerät die Rivalität zwischen Jean Valjean und Javert etwas zu sehr in den Hintergrund. Das Bühnenbild von Susanna Buller passt gut zum Setting der Freilichtbühne und wandelt sich problemlos von den Fassaden der Pariser Häuser bis zu den Kanälen unter der Stadt. Die zeitgemäßen Kostüme von Karin Alberti runden das Gesamtbild ab.

Insgesamt erwartet die Besucher bei den Freilichtspielen Tecklenburg eine Produktion mit nur wenigen Schwächen, die mit einer hochkarätigen Cast glänzt und eine emotionale Geschichte in beeindruckenden Bildern erzählt.

Weitere Informationen und Tickets für „Les Misérables“ in Tecklenburg erhaltet ihr hier.

Besuchte Vorstellung: 22. Juni 2018 (Premiere) bei den Freilichtspielen Tecklenburg

(Bildquelle (c) Holger Bulk)

Teile das mit deinen Freunden via: