Nachdem die En-Suite-Produktion von „Pretty Woman – Das Musical“ in Hamburg 2020 pandemiebedingt ein abruptes Ende fand, tourt die bekannte Liebesgeschichte nun erstmals wieder in deutscher Sprache durch Deutschland, Österreich und die Schweiz. Wir waren bei der Premiere der Inszenierung von Limelight Live Entertainment (in Kooperation mit Stage Entertainment) im Oberhausener Metronom Theater dabei:
Filmgetreu führt das Musical in das Los Angeles der frühen 1990er-Jahre – eine Stadt zwischen Glanz und Schatten. Als die junge Vivian Ward, die sich gemeinsam mit ihrer besten Freundin Kit de Luca durchs Leben schlägt, auf den wohlhabenden Geschäftsmann Edward Lewis trifft, prallen zwei Welten aufeinander. Was zunächst als Geschäftsabkommen beginnt, entwickelt sich bald zu einer Begegnung, die beide nachhaltig verändert. Insbesondere für Vivian eröffnet sich eine neue, schillernde Welt, die sie zugleich mit zahlreichen Fragen Identität, Selbstwert und Liebe konfrontiert.
Musikalisch setzt die Show auf die Handschrift von Bryan Adams und Jim Vallance, die den Soundtrack zwischen Pop, Rock und klassischem Broadway-Stil ausbalancieren. Gefühlvolle Balladen wechseln sich mit energiegeladenen Ensemble-Nummern ab. Die sechsköpfige Band unter der Leitung von Dan Tomkinson überzeugt durch präzises Spiel, doch der Gesamtklang bleibt an diesem Premierenabend überraschend zurückhaltend. Besonders erfrischend waren kurze Momente, in denen einzelne Musiker live in die Szene integriert wurden und so in den Mittelpunkt des Geschehens gerückt sind.
Die Besetzung der Premiere
Shanna Slap, die bereits in der niederländischen Fassung des Stücks als Vivian auf der Bühne stand, interpretiert die Rolle mit sympathischer Natürlichkeit. Gesanglich ragt sie aus dem Ensemble hervor. Ihre stimmliche Präsenz ist ebenso beeindruckend wie ihre glaubhafte Darstellung von Vivians innerem Konflikt und ihrer persönlichen Entwicklung.
Auch Mathias Edenborn, der den Edward schon in der Hamburger Produktion verkörperte, überzeugt. Anfangs kühl und kontrolliert, lässt er im Verlauf der Handlung immer mehr emotionale Tiefe erkennen. Seine warme und kraftvolle Stimme unterstreicht den Charakter seiner Rolle. Edenborn gestaltet die Figur nachdenklich und berührend – sein Solo „Freiheit“ wird zu einem der musikalischen Höhepunkte des Abends.
Sophie Reinicke überzeugt als Vivians Freundin Kit de Luca mit einer energiegeladenen, stimmlich starken Performance. Ihr warmes Timbre und die rockige Klangfarbe verleihen der Figur Eigenständigkeit und Charme. Dank ihres präzisen komödiantischen Timings sorgt sie immer wieder für frische Impulse – das Premierenpublikum dankt es ihr mit langanhaltendem Applaus.
Benedikt Ivo zeigt in seinen drei Rollen – als Happy Man, Mr. Thompson und Mr. Hollister – beeindruckende Wandlungsfähigkeit. Mit sichtbarer Spielfreude und sicherem Gespür für Timing hält er alle Figuren klar voneinander getrennt. Selbst ein technischer Ausfall während seines Gesangsparts bringt ihn nicht aus dem Konzept. Lediglich als Mr. Thompson fehlt seiner Darstellung teilweise die väterliche Wärme, die der Rolle zusätzliche Tiefe verleihen würde.
Das Ensemble präsentiert sich insgesamt homogen, stimmlich wie tänzerisch stark. Die Spielfreude und Energie des Ensembles übertragen sich rasch auf das Publikum – ein wesentlicher Faktor für die lebendige Atmosphäre dieses Premierenabends.
Die Show auf Tour
Die Inszenierung der erfahrenen Regisseurin Carline Brouwer präsentiert sich in klassisch broadwayhafter Manier, wirkt dabei jedoch überraschend modern und frisch umgesetzt. Im Zentrum steht die emotionale Tiefe der Figuren – Brouwer legt ein besonderes Augenmerk auf Charakterentwicklung und innere Konflikte, wodurch die Zuschauerinnen und Zuschauer von Beginn an eng an die Handlung gebunden werden. Auffällig ist jedoch der Verzicht auf den Song „Welcome to Our World (More Champagne)“ zu Beginn des zweiten Aktes; dieser wird lediglich für wenige Sekunden als Übergang zwischen den Szenen verwendet, was manche Fans sicher überraschen dürfte.
Nahtlos fügt sich an diese sensible Regiearbeit das Bühnenbild von Clara Janssen Höfelt. Dieses überzeugt durch eine dynamische, mehrstöckige Konstruktion. Die Szenerie wirkt wie eine Mischung aus Großstadtarchitektur und klassischer Showbühne, mit Balkonen und Plattformen, die den Darstellerinnen und Darstellern Raum für ihr Spiel auf verschiedenen Ebenen geben. Durch geschickt platzierte Türen und Fenster wechseln die Szenen fließend, wodurch die Bühne selbst fast zu einem lebendigen Bestandteil der Handlung wird. Trotz dieser Raffinesse wirkt das Bühnenbild in seiner Gesamtheit ein wenig statisch; im Vergleich zur Replica-Inszenierung, die ebenfalls auf Reduktion setzte, entstehen nur wenige wirklich bildgewaltige Momente.
Ein harmonisches Gesamtbild ergibt sich auch durch das Kostümdesign von Cocky van Huijkelom. Dieses setzt auf nostalgische Treue zum Originalfilm. Die bekannten Outfits werden nahezu detailgetreu auf die Bühne gebracht – ein Effekt, der beim Publikum für spontane Szenenapplause sorgt, besonders beim legendären roten Opernkleid von Vivian.
Abgerundet wird der visuelle Eindruck durch die Choreografien von Ryan Berkmann, die sich nahtlos in das Gesamtkonzept einfügen. Präzise ausgeführt vom Ensemble, unterstützen sie die Handlung und verstärken die emotionale Wirkung der Szenen, ohne je aufgesetzt zu wirken.
„Pretty Woman – Das Musical“ überzeugt mit starken Stimmen, mitreißender Musik und schwungvollen Choreographien – eine moderne und auf Emotionalität gerichtete Inszenierung, die nicht nur Fans des Films begeistert.
Weitere Informationen und Tickets zu „Pretty Woman – Das Musical“ auf Tour erhaltet ihr hier.*
Besuchte Vorstellung: Premiere am 30. Oktober 2025 – Metronom Theater Oberhausen
Vielen Dank an Semmel Concerts Entertainment GmbH für die freundliche Einladung zur Premiere von „Pretty Woman – Das Musical“.
Bildquelle (c) Dominik Flohr

Tim ist 28 Jahre alt und seit Anfang 2025 Mitglied des Musicalzone.de-Teams. Seit seinem ersten Musicalbesuch im Alter von acht Jahren bei „Starlight-Express“ sind Musicals nicht mehr aus seinem Leben wegzudenken. Nach seinem Job im öffentlichen Dienst besucht er in seiner Freizeit gerne das Theater und fachsimpelt im Anschluss mit anderen Fans. Daneben hat er eine Leidenschaft für diverse Sportarten, Brettspiele und das Entdecken neuer Reiseziele – am besten solche, die sich mit einem Musicalbesuch verbinden lassen.



