Mit dem Musical „Anastasia“ bringt das Theater Bielefeld in der Spielzeit 2025/ 2026 einen Hauch russischer Geschichte mit Zarenflair auf die Bühne. Wir haben die Premiere am Theater Bielefeld besucht:
Terrence McNally entführt mit „Anastasia“ das Publikum auf eine packende Reise in die Zeit der russischen Revolution – basierend auf der Geschichte des bekannten Animationsfilms aus den 1990er-Jahren. Im Mittelpunkt steht die zeitgenössische Legende um die jüngste Tochter des letzten russischen Zaren, die das Massaker an ihrer Familie durch die bolschewistischen Revolutionäre möglicherweise überlebt hat. Während die Zarenmutter nach dem Tod ihres Sohnes eine Belohnung für Hinweise auf den Verbleib ihrer Enkelin aussetzt, suchen in St. Petersburg die Lebenskünstler Dimitri und Wlad nach einem Ausweg aus dem für sie nach der Revolution fremd gewordenen Russland. Da trifft Anya, ein amnesiegeplagtes Mädchen, das der Zarenenkelin verblüffend ähnelt, genau zur rechten Zeit ein – denn die Aussicht auf die ausgesetzte Belohnung in Paris eröffnet den beiden neue Möglichkeiten. Es entwickelt sich ein märchenhaftes und turbulentes Abenteuer zwischen Newa und Seine.
Die Geschichte wird durch die Musik von Stephen Flaherty märchenhaft untermalt. Die Partitur verbindet eingängige Broadway-Melodien mit russisch inspirierten Klängen. Neben kraftvollen Balladen bietet das Musical auch energiegeladene Ensemble-Nummern. Die Bielefelder Philharmoniker unter der Leitung von William Ward Murta verleihen der Musik mit sattem, vollem Orchesterklang eine besonders lebendige und kraftvolle Wirkung.
Die Besetzung der Premiere
Lara Hofmann zeigt in der Rolle der Anya eine beeindruckende Wandlungsfähigkeit: Mit viel emotionalem Gespür lässt sie die Entwicklung vom heimatlosen Mädchen zur mutigen Zarenenkelin lebendig und glaubwürdig werden. Gesanglich überzeugt sie besonders in den Balladen durch ihre klare, ausdrucksstarke Stimme.
Andreas Bongard ergänzt dies harmonisch als charmant-witziger Dimitri. Auf dem schmalen Grat zwischen Leichtigkeit und Ernst gelingt ihm eine Darbietung voller Präzision, Spielfreude und stimmlicher Stärke.
Sein Kompagnon Wlad, gespielt von Carlos Horacio Rivas, sorgt mit verschmitztem Spiel für die nötige Auflockerung in der ernsten Lage der drei Hauptfiguren. Auch gesanglich bringt er seine Rolle überzeugend und mit viel Gefühl auf die Bühne.
Ihr regimetreuer Gegenspieler Gleb wird von Nikolaj Alexander Brucker eindrucksvoll verkörpert. Mit einer enorm kraftvollen Stimme verleiht er der Figur zunächst autoritäre Härte, bevor er zunehmend deren innere Zerrissenheit offenbart. Besonders stimmlich hinterlässt Brucker einen starken Eindruck.
Betty Vermeulen verkörpert die Zarenmutter mit großer Würde und Grazie. Ihre ruhige, eindrucksvolle Präsenz verleiht der Rolle spürbare Tiefe und emotionale Strahlkraft. Besonders im Duett mit Lara Hofmann im wohl bekanntesten Lied des Musicals, „Im Dezember vor Jahren“, sorgt sie für einen der berührendsten Momente des Abends.
Auch das übrige Ensemble überzeugt in Spiel und Gesang und wird dabei kraftvoll vom Bielefelder Opernchor unterstützt. Besonders einige solistische Einlagen sorgen für Gänsehautmomente – allen voran Paata Tsivtsivadze als Graf Ippolitov, der mit seiner ausdrucksstarken Stimme beeindruckt.
Die Show in Bielefeld
Die Inszenierung von Janina Niehaus präsentiert die klassische und märchenhafte Geschichte in einer modernen Erzählweise, bei der der historische Kontext gekonnt eingebunden wird. Die Aufführung besticht durch starke Emotionalität und verzichtet bewusst auf überladene Effekte, stattdessen setzt sie voll und ganz auf die Ausdruckskraft der Darstellerinnen und Darsteller.
Das Bühnenbild von Sebastian Ellrich ist ebenfalls puristisch und modern gestaltet. Im Mittelpunkt stehen filigrane Leuchtelemente, die Schriftzüge, Symbole und Stadtansichten zeichnen. Dadurch liegt der Fokus ganz auf der Atmosphäre. Ein großer Ventilator erzeugt in Kombination mit Bühnennebel in zahlreichen Szenen beeindruckende, fast magische Effekte. Schnee fällt von der Decke und lässt das Publikum unmittelbar und authentisch in das russische St. Petersburg eintauchen.
Ellrich ist auch für das Kostümdesign verantwortlich, das das puristische Bühnenbild auf einzigartige Weise ergänzt. Die märchenhafte Geschichte wird durch die Kostüme konsequent auf den Ausdruck der Darstellerinnen und Darsteller konzentriert, da komplett auf Farbe verzichtet wird. Das schlichte, klare Design rückt Mimik, Gestik und Emotionen in den Vordergrund und unterstreicht die zeitlose Ästhetik der Inszenierung.
Gleiches gilt für die Choreografien von Yara Hassan: Sie sind absolut stimmig und binden den Opernchor gekonnt mit ein. Wie bei der Musik fließen auch hier Nuancen traditioneller russischer Volkstänze ein. Besonders im Gedächtnis bleiben die Balletttänzerinnen, die mit großer Präzision selbst in kleinsten Bewegungen eine beeindruckende Wirkung entfalten.
Die Bielefelder Inszenierung von „Anastasia“ überzeugt mit moderner Erzählweise, starker Emotionalität und puristischem Bühnenbild. Mit starken Darstellerinnen und Darstellern sowie lebendiger Musik verschmelzen russische Geschichte und Märchenhaftigkeit zu einem eindrucksvollen Bühnenerlebnis. Unbedingt ansehen!
In der Spielzeit 2025/ 2026 finden regelmäßig Vorstellungen von „Anastasia“ am Theater Bielefeld statt. Tickets gibt es bereits ab 18,00 € hier.
Besuchte Vorstellung: Premiere am 20. September 2025 – Bühnen und Orchester der Stadt Bielefeld
Vielen Dank an das Theater Bielefeld für die freundliche Einladung und die Bereitstellung von Pressekarten für die Premiere von „Anastasia“.
Bildquelle (c) Sarah Jonek

Tim ist 28 Jahre alt und seit Anfang 2025 Mitglied des Musicalzone.de-Teams. Seit seinem ersten Musicalbesuch im Alter von acht Jahren bei „Starlight-Express“ sind Musicals nicht mehr aus seinem Leben wegzudenken. Nach seinem Job im öffentlichen Dienst besucht er in seiner Freizeit gerne das Theater und fachsimpelt im Anschluss mit anderen Fans. Daneben hat er eine Leidenschaft für diverse Sportarten, Brettspiele und das Entdecken neuer Reiseziele – am besten solche, die sich mit einem Musicalbesuch verbinden lassen.




