Alexander Klaws stand zuletzt am Staatstheater Darmstadt in der Hauptrolle von „Saturday Night Fever“ auf der Bühne. Wir haben mit dem Publikumsliebling über das Musical, unterschiedliche Inszenierungen und die Arbeit in den verschiedensten Genres sowie deren Wahrnehmung gesprochen. Lest hier unser Interview oder schaut euch es euch als Video an:

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Musicalzone.de: Wie geht es dir aktuell, Alex?

Alexander Klaws: Och, mir geht‘s sehr gut. Also ich ja hab heute bereits einige Kilometer abgespult, aber so ist das halt, wenn man in Hamburg wohnt und in Darmstadt spielt. Alles super!

MZ: Wie ist es denn für dich jetzt bei „Saturday Night Fever“ nach der Corona-Pause wieder auf der Bühne zu stehen?

AK: Ach, das ist natürlich ein Geschenk. Einfach generell – egal, ob das jetzt Night Fever ist oder ob das Mülli Müller ist oder irgendeine andere Rolle ist, die ich in den letzten Wochen, Monaten gespielt habe oder womit ich auf der Bühne stehen durfte. Man merkt einfach generell, dass das Publikum völlig ausgehungert ist und Bock hat, endlich wieder rauszugehen. Wir waren jetzt 2 Jahre lang in Anführungsstrichen, alle ja genügend eingesperrt, sodass man wirklich auch merkt, dass wenn es wieder losgeht, die Leute wirklich richtig Hunger haben auf Entertainment, auf unterhalten werden, auf Lachen, weinen, jubeln, klatschen… Und bei Night Fever gibt es ja natürlich auch viele Szenen, wo wir das spüren. Wobei natürlich Night Fever jetzt nicht nur ein lustiges, witziges Stück ist, es ist auch sehr tief und sehr dramatisch. Also von daher selbst da, trotzdem selbst da merken wir, dass die Leute einfach wieder Spaß haben wollen und raus wollen, also denen reicht es jetzt auch.

MZ: Kannst du uns etwas zu den Höhen und Tiefen erzählen, die du in der Rolle als Tony Manero durchmachst?

AK: Boah, wo soll ich anfangen? Grundsätzlich ist die Rolle des Tony Manero ein echter Schinken in der Hinsicht, dass man und was einfach schön ist für einen Schauspieler, dass man eine Entwicklung durchspielt. Dass man nicht auf die Bühne kommt, drei Lieder singt und das war es.

MZ: Ich eröffne die Show, man wird quasi mit Toni Manero über den Abend verteilt erwachsen. Man kann ihm beim Erwachsenwerden zusehen. Man kann ihn bei seinen Dramen zusehen. Man kann die krassen Cuts sehr nah spüren in der Hinsicht, dass ich oder das Tony Manero aus dem Club kommt völlig euphorisiert ist und auf dem Weg in seine Elternstube, ja sichtlich depressiv wird, weil er natürlich immer jongliert zwischen seinen Welten, in denen er sich bewegt. Zu Hause erfährt er die Liebe nicht, die er sich wünscht, die er braucht. Die Sehnsucht, die er hat, einfach eine Bindung zu seinem Papa aufzubauen, geliebt zu werden von seinem Elternhaus so wie er sich das vorstellt. Die Liebe holt er sich dann im Club. Daraufhin ja, hinterlässt er da auch verbrannte Erde was sein Harem angeht. Ich versuche mich da jetzt kurz zu halten, weil ich glaube über die Rolle könnte man stundenlang erzählen. Es gibt wenig Rollen, die so viel Tiefe haben, die trotzdem so schwierig zu spielen sind in der Hinsicht, dass das Stück Night Fever an sich sehr wenig Platz für diese Tiefe bietet. Also man hat immer nur ein paar Chancen diese Tiefe wirklich durchblicken zu lassen. Sozusagen den Charakter zu schleifen in der Hinsicht, wie er dann beim Publikum ankommt und es gibt, glaube ich, kaum Rollen, die vergleichbar sind mit der des Toni Manero.

MZ: Du hast die Rolle bereits 2016 bei den Freilichtspielen Tecklenburg gespielt. Wie ist es für dich jetzt, 6 Jahre später, nochmal in die Fußstapfen zu treten?

AK: Ich sag mal so, auch wenn ich die Rolle schon mal gespielt hab, ich bin immer jemand, der völlig unvoreingenommen, auch wenn ich das das zweite Mal spiele, an eine Rolle rangeht. Also ich meine das was gestern oder vor drei Jahren war, das hake ich ab und dementsprechend konzentrier ich mich auf das was hier passiert und das was ich hier neu entdecken darf, weil ich hab hier auch neue Kollegen, ich hab ein neues Theater, neues Bühnenbild… Dementsprechend ist es eine komplett andere Welt. Man darf ja nicht vergessen in Tecklenburg waren wir Open Air, hier sind wir in einem Theater, eine völlig andere Umgebung und eine andere Zeit in Tecklenburg. Ich glaube wir haben es eher in die heutige Zeit transportiert oder verfrachtet das Stück, wann es passiert ist. Hier spielen wir das Original in den Siebzigern. Und es macht natürlich auch da einen Riesenunterschied aus vom Look her und so und von daher hat die Version hier eigentlich gar nichts mit der in Tecklenburg zu tun. Also das Buch wurde auch verändert: In Tecklenburg haben wir glaube ich zwei, drei Songs weniger gehabt, das war nicht die komplette Version, die wir da gespielt haben und das ist hier wirklich der Fall und von daher kann man es eigentlich gar nicht wirklich vergleichen. Die Choreographien sind komplett anders, es ist ein ganz anderes Genre was wir hier bedienen auch vom Tanzstil her und ja, da gibt es wirklich keine Parallelen.

MZ: Welche Rolle spielt denn die bekannte Musik im Stück?

AK: Naja, also die Musik hat natürlich wie in jedem Musical auch dramaturgischen Sinn, wobei hierbei den Bee Gees natürlich immer die Welt der Diskothek eröffnet wird, wenn die Musik gespielt wird. Die Songs passen auf die Handlung: Night Fever, der Titel alleine spricht für sich, ganz schwierig zu umschreiben. Um jetzt auf die Musik insbesondere einzugehen, weil auch die Songs an sich dann doch sehr unterschiedlich sind, also sehr fröhlich, tänzerisch, als auch dramatisch und balladesk, also da ist einfach eine Bandbreite dabei von den Bee Gees, die seines gleichen sucht. Und die Musik muss einfach ja wie die Faust aufs Auge zum Stück passen. Die Musik muss die Dramaturgie nach vorne bringen und die Geschichte mit erzähle, ansonsten ist es gestagetes Konzert und das ist bei Night Fever nicht der Fall. Man wünscht sich ja immer, dass gut geschriebene Musik sich nahtlos einfügt in die Handlung und das ist hier definitiv der Fall.

MZ: Du hast ja außerdem schon öfters den Jesus verkörpert, einerseits in konzertanten Version von Jesus Christ Superstar, aber zuletzt auch im TV-Event die Passion. Welche Bedeutung haben denn deiner Meinung nach solche TV Events für die Wahrnehmung des Genres in Deutschland?

AK: Ich finde, dass was auf der Bühne passiert oder was ich auf einer Bühne mache oder darstelle oder spiele oder singe… das Wichtigste ist damit den Menschen zu berühren, eine Geschichte zu erzählen, die nicht im Sande verläuft, sondern die im besten Fall jemanden zum Nachdenken anregt. Und das ist bei Jesus der Fall. Das ist es eigentlich bei allen Rollen, die ich bisher spielen durfte: Von Tarzan bis Jesus hin über Ranger. Es war immer irgendwo eine tolle Message mit dabei und die Leute sind nicht einfach nach Hause gefahren und haben gesagt „Ja, das war eine Supershow“, sondern sind nach Hause gefahren und haben nachgedacht, was da passiert ist auf der Bühne, was wir für Geschichten erzählen. Die Werte, die wir vermitteln, die ich vermittle mit den Rollen, die ich spielen durfte, ob das jetzt auf der Live Bühne passiert oder im Fernsehen das ist ehrlich gesagt zweitrangig. Natürlich wünscht man sich immer eine breite Masse, eine Wahrnehmung in der in der Außenwelt, dass es möglichst viele Menschen interessiert. Aber ein Stück weit hat das auch etwas Elitäres und Besonderes, wenn sowas auch nur „mal“ im Theater stattfindet. Also viele Dinge funktionieren auf der Kamera oder auf der Leinwand oder im Fernsehen. Es gibt aber Stücke, die würden da gar nicht funktionieren, da geht es halt eher darum, dass die Message und die Theaterkunst auch rüberkommt. Sowas und manches kann man gar nicht einfangen mit der Kamera – das muss man live erleben im Theater! Und dementsprechend ist das eine schwierige Frage, weil das Wichtigste ist, dass die Show an sich gut ist: dass das gut umgesetzt ist, dass das keine Geschichte ist, die daher gelabert wird oder schlecht gespielt oder in Szene gesetzt ist. Das Wichtigste ist, dass es verständlich ist, was möchte man mit diesem Stück oder mit der Musik erreichen? Was auch immer da passiert und dann ist eigentlich zweitrangig, wie gesagt ob’s im Fernsehen stattfindet und ein TV-Event ist oder ob es eine Musicalbühne ist oder im Theater oder in der Oper… Wie auch immer, ich glaube jedes Stück hat einen Sinn und wenn man am Sinn vorbei inszeniert, dann ist es schade, weil dann ist es den Aufwand nicht wert, egal ob TV oder Theater.

AK: Wie kamst du denn nach deinem Start bei DSDS im TV auf die Musicalbühne beziehungsweise das Interesse am Genre?

MZ: Also grundsätzlich hat mich das einfach immer wahnsinnig beeindruckt. Und Musical oder Theater oder Oper ist einfach in der Hinsicht etwas komplett besonderes, weil man Dinge miteinander verschmelzen lässt, die ja an sich schon schwierig sind alleine darzustellen wie Schauspiel, Gesang, etwas glaubwürdig darzubieten ohne dass man es jetzt irgendwie nur oberflächlich ansingt und anspielt. Dann kommt es darauf an, was für eine Rolle das ist – Ich meine beispielsweise Tarzan, da gibt es fünf Elemente: Schauspiel, Gesang, Akrobatik, Flugshow und dann noch die ganzen Affenbewegungen.

Das heißt man ist kein Mensch, man entwickelt sich quasi vom Affenmenschen zum richtigen Menschen. Man startet ganz, ganz langsam auf allen Vieren und wird irgendwie im Laufe des Stücks immer aufrechter. Also diese Entwicklungen, die man durchspielt, einfach diese Kunst, das Publikum für drei Stunden am Abend in eine andere Welt zu entführen und alles drumherum vergessen zu lassen, das ist finde ich eine ganz große Kunst. Die große Kunst des Theaters oder des Musicals das hat mich interessiert und für mich ist das eine absolute Königsdisziplin, das machen zu dürfen. Die Leute, die das acht Mal pro Woche machen, das ist Leistungssport. Und dementsprechend glaub ich, sollte man sich darüber mal Gedanken machen, ob das in der Außenwelt überhaupt so wahrgenommen wird und vor allem gewürdigt wird? Ich hatte auch so ein Stück weit den Anspruch, diesem Genre vielleicht noch mehr Aufmerksamkeit zu verleihen. Ob ich das geschafft hab bis heute oder nicht, das ist auch zweitrangig. Aber ich liebe dieses Genre. Das ist einfach was Besonderes und jeder, der schon mal im Musical war, weiß was ich meine und das ist eben nicht oberflächlich oder Kleinkunst, wie es manchmal dargestellt wird in der Außenwelt. Das ist harte, fucking harte Arbeit und eine große Kunst. Und die Champions League ist Entertainment aus meiner Sicht.

MZ: Auf welcher Bühne bist du denn als nächstes zu sehen?

AK: Also heute Abend spiele ich „Saturday Night Fever“ hier am Staatstheater Darmstadt *lacht* und dann mach ich auch noch mal so ein bisschen an Sabbatical oder Familyurlaub, wenn man den so nennen kann. Also ich bin anderthalb Monate nochmal oder viereinhalb Wochen in Australien und nehme auch mal meinen Stift mit und mein Block und guck mal, was ich da neben der Familienzeit für Nummern schreiben kann. Im nächsten Jahr bin ich auf der großen The Masked Singer Tour zu sehen in meinem Alter Ego namens Mülli Müller. Und das sind schon unterschiedliche Bühnen, die mich herausfordern und auf denen man mich die nächste Zeit sehen kann, die diese Entertainment Welt für mich so besonders machen und vor allem auf denen ich mich austoben darf und das macht mir unfassbar viel Spaß. Aber wie gesagt, ich glaube die nächste Bühne ist heute Abend „Saturday Night Fever“, also Musical. Und die Rock ’n‘ Roll Bühne, also die Tour-Bühne, die hat mich aber im nächsten Jahr definitiv auch wieder.

MZ: Es wird also nicht langweilig, genießt bis dahin auf jeden Fall eine inspirierende Auszeit in Australien und ansonsten vielen Dank für deine Antworten und die Einordnung.

Das Interview könnt ihr hier als Video (inklusiver einiger Szenen aus der Show) anschauen:

Wer Saturday Night Fever live erleben möchte, kann hier Tickets für die Wiederaufnahme des Musicals (ohne Alexander Klaws) ab 15. Januar 2023 am Staatstheater Darmstadt bestellen.

Vielen Dank an Alexander Klaws für die Beantwortung der Fragen und an das Staatstheater Darmstadt für die Interview-Möglichkeit!

(Bildquelle (c) Regina Brocke)

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