Mit “Wicked: Teil 2” startet diese Woche die Fortsetzung der epischen Verfilmung des Broadway-Erfolgs in den deutschen Kinos – wir haben zum Kinostart mit Regisseur Jon M. Chu in Berlin über die Musical-Adaption gesprochen:
Musicalzone: Vor über 20 Jahren hast du “Wicked” als Student noch während des Try Out in San Francisco zum ersten Mal gesehen – was hat dich daran so nachhaltig inspiriert?
Jon M Chu: Damals habe ich die Show einfach als Fan besucht, nachdem meine Eltern mit uns jedes Wochenende ins Theater gegangen sind. Damals meinten sie „Stephen Schwartz hat eine neue Show, basierend auf dem Zauberer von Oz“, ich bin mit und wurde einfach überwältigt! Ich glaube auch, weil ich damals so viele Veränderungen durchmachte: Ich bin aus der Kleinstadt ans College, habe meine alten Freunde nicht mehr gesehen und neue getroffen… Ich habe realisiert, dass die Welt zynisch ist und gezweifelt, ob ich an meine Träume glauben kann mit denen ich behütet aufgewachsen bin. Als Filmstudent habe ich mir damals schon gedacht, wie manche Szenen auf der Leinwand funktionieren könnten und denke noch heute daran, wie es sich beim ersten Mal angefühlt hat, um die Geschichte bestmöglich zu erzählen. Als ich dann nach dem Studium mit Filmstudios gesprochen habe, haben sie mich gefragt „Was willst du machen?“ und ich habe immer mit „Wicked“ geantwortet – was keine Option war, bis ich während Corona den Anruf bekam…
MZ: Der Film fühlt sich sehr aktuell an in einer Zeit, wo wenige um viel Macht ringen.
JMC: Das ist der Schlüssel zu einer zeitlosen Geschichte – auch „Der Zauberer von Oz“ war damals sehr aktuell! Was wird aus dem American Dream? „Wicked“ kam nach dem 11. September als das Land sich nach seiner Identität gefragt hat – und dann der Anruf während Corona. Ich war mir erst nicht sicher, ob jetzt der richtige Moment ist – und habe dann die Lyrics von „Frei und Schwerelos“ gelesen: „Etwas in mir ist anders…“. Da fiel mir auf, dass wie relevant diese Geschichte in Zeiten des Wandels ist – und erst seitdem hat die Geschichte politisch leider an Aktualität gewonnen, wenngleich sie 20 Jahre alt ist… Es geht um die natürliche Tendenz von uns als Menschen, aber macht auch Hoffnung nachdem wir immer wieder einen Weg herausfinden – und dafür brauchen wir solche Geschichten als Inspiration! Und letztendlich nutzt auch der Zauberer Geschichten, um die Menschen zu faszinieren und zu motivieren… Natürlich wird er einen Feind erschaffen, wenn das Volk sich nach einfachen Antworten sehnt – das liegt in der menschlichen Natur und würde jeder mit Macht machen!
MZ: Die Adaption ist sehr nah an dem Broadway-Musical, wobei es im zweiten Teil mehr neue Szenen gibt – wie habt ihr entschieden, wo ihr die Story erweitern müsst?
JMC: Die wichtigste Entscheidung war, dass wir die Geschichte in zwei Filmen erzählen. Immer wenn wir es in einem versucht haben, war es nicht mehr „Wicked“ sondern folgte ohne manche Nummern einer anderen Logik. Natürlich muss jeder Film in sich funktionieren, aber für mich macht es das gerade spannend – im zweiten Teil ist viel mehr Substanz. Zuerst muss die Kindheitsgeschichte funktionieren, aber dann kommt es zum Bruch und wir schauen darauf zurück mit Fragen wie „Wer wird man, wenn die Träume zerbrochen sind?“. Am Broadway sieht man Elphaba im zweiten Akt nur in Action, doch nun kann sie sich fragen „War das die richtige Entscheidung?“ und „Was verteidige ich eigentlich und wofür, wenn sie mich tot sehen wollen?“ – diese Fragen finde ich total spannend und Stephen Schwartz meinte direkt, dass er dafür einen passenden Song hat. Und bei Glinda fehlt auf der Bühne der Wandel, doch auch dafür hatte Stephen etwas in der Schublade – wir haben dann noch etwas Vorgeschichte ergänzt. Und außerdem fragte ich mich, warum Elphaba dem Zauberer nochmal trauen sollte – also haben wir Glinda ergänzt, die sie zum „Unlimited“-Theme fragt, ob sie nicht müde ist immer davon zu rennen und nicht eher den Wandel durch das System forcieren sollte… Das fühlte sich alles sehr sinnvoll an und wir haben den zusätzlichen Raum dafür genutzt.
MZ: Wie hat das Design des Films von 1939 die Ausstattung inspiriert?
JMC: Vor allem haben uns die Zeichnungen aus dem Buch orientiert, aber der Film hat damals Kino so geprägt, dass er unzertrennlich damit verbunden ist – wie die gelbe Ziegelsteinstraße… Dieses Bild in Kombination mit Dorothy, dem Zinnman & Co löst viel aus. Wir hatten erwachsene Männer in der Crew, die nach sechs Wochen am Set beim ersten Anblick der Farben in Tränen ausgebrochen sind – und mussten vorsichtig sein, dass wir das zielgerichtet einsetzen. Deshalb sieht man auch nie Dorothys Gesicht… Das Mantra an Set war immer „Es geht um die beiden“ – und die Geschichte, die wir erzählen.
MZ: Während die Pause im Theater 20 Minuten dauert, lag nun ein Jahr zwischen den Filmen – wie überbrückt man diese Zeit?
JMC: Ich wollte nur 3 Monate warten, aber das Studio hat mich überzeugt als sie meinten, dass das Publikum vielleicht dann erst „Der Zauberer von Oz“ wiederentdeckt, die Show besuchen und noch mehr Menschen weltweit den Film streamen, bevor der zweite Teil dann erscheint. Hätten wir den Film früher veröffentlicht, hätten wir v.a. Menschen erreicht, die „Wicked“ sowieso schon kennen. Dadurch ist aber natürlich auch der Druck gestiegen – aber der Erfolg hat uns in unserer Vision recht gegeben. Und auch die Ticketverkäufe am Broadway sind gestiegen – die Menschen wollten die Show zum Vergleich nochmal sehen und sind teils auch nach dem ersten Akt gegangen, weil sie bewusst abwarten wollten.
MZ: Das Warten hat sich definitiv gelohnt!
WICKED: Teil 2 zum Musical startet am 20. November 2025 in den deutschen Kinos.
Vielen Dank an Jon M. Chu für die Beantwortung der Fragen und an Universal Pictures für die Interview-Möglichkeit zum zweiten „Wicked“-Film!
(Bildquelle (c) Universal Pictures)

Christoph ist 26 Jahre alt und hat Musicalzone.de 2015 ins Leben gerufen, um seine Begeisterung für Musicals mit Gleichgesinnten zu teilen. Seitdem hat er Marketing studiert und vermarketet nun Musicals mit Leidenschaft und Expertise, besonders im digitalen Raum.



