„Sweeney Todd“ treibt derzeit sein Unwesen am Theater Dortmund. Komponist Stephen Sondheim bezeichnete das 1979 am New Yorker Broadway uraufgeführte Stück als „schwarze Operette“ – und das nicht ohne Grund. Einem breiteren Publikum wurde die Geschichte um den Barbier des Grauens von der Fleet Street 2007 durch die Verfilmung mit Johnny Depp und Helena Bonham Carter bekannt. Wir haben die deutschsprachige Inszenierung kurz vor Ende der Dortmunder Spielzeit besucht:

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Das Musical „Sweeney Todd“

Der Barbier Benjamin Barker kehrt nach jahrelanger Verbannung in das nebelverhangene London des 19. Jahrhunderts zurück. Die Ausgangslage seiner Rückkehr könnte schlechter nicht sein: seine Ehefrau tot, seine Tochter Johanna in der Obhut seines Erzfeindes Richter Turpin. Als er Mrs. Lovett, die Inhaberin eines heruntergekommenen Pastetenladens kennenlernt, schmieden die beiden einen perfiden Rachefeldzug: Unter dem Pseudonym “Sweeney Todd” eröffnet Barker seinen Salon wieder und beginnt seine Kundschaft zu ermorden. Nutznießerin dieser Morde ist Mrs. Lovett, da sich die Leichen der Londoner Aristokratie künftig in ihren Pasteten wiederfinden, was ihrem Geschäft einen erneuten Aufschwung beschert. Allmählich verschwimmen die Grenzen zwischen Barker und Todd, zwischen Opfer und Täter bis schließlich die dunkle Wahrheit über Barker’s Vergangenheit ans Licht kommt.

Der 2021 verstorbene Stephen Sondheim schrieb für „Sweeney Todd“ sowohl Musik als auch Liedtexte. Die deutschsprachige Fassung stammt aus der Feder von Wilfried Steiner und Roman Hinze. Die nahezu durchkomponierte Partitur ist komplex und weist keinen klassischen Musicalcharakter auf. Die Melodien sind weniger eingängig und eher rhythmisch angelegt. Dabei werden jedoch die spannungsgeladene Atmosphäre des Stücks und die Entwicklung der Charaktere durch intensive Klänge unterstrichen – insbesondere durch die Verwendung von sich wiederholenden Leitmotiven. Die Dortmunder Philharmoniker unter der Leitung von Koji Ishizaka zeigen eindrucksvoll, wie wichtig ein großes Orchester für den Erfolg einer Produktion ist. Der Inszenierung wird durch die hervorragende Umsetzung der Partitur ein kraftvoller und eindringlicher musikalischen Rahmen gegeben.

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Die Besetzung der Vorstellung

Morgan Moody nimmt das Publikum mit auf die innere Reise vom einst leidenschaftlichen Benjamin Barker zum rachsüchtigen Sweeney Todd. Schauspielerisch gelingt es ihm in Perfektion, trotz seiner abscheulichen Taten Mitgefühl beim Publikum zu wecken. Dazu trägt auch seine warme und kraftvolle – beinahe väterliche – Stimme bei, die er in allen Gesangsparts sehr überzeugend in Szene setzt.

Bettina Mönch verkörpert die geschäftstüchtige Mrs. Lovett mit stimmlicher Präsenz und gutem Gespür für den schwarzen Humor des Stückes. Ihre moralisch fragwürdige Haltung und die obsessive Zuneigung zu Barker bringt sie überzeugend auf die Bühne – getragen von starkem Schauspiel und präzisem komödiantischem Timing.

Harriet Jones verleiht Johanna Barker, in ihrer ersten deutschsprachigen Rolle, eine glasklare Stimme und spielt sie als innerlich zerrissene junge Frau.

Der liebestolle Anthony Hope wird gespielt von Jonas Hein, der die Rolle lebendig und mitreißend, fast überschwänglich darstellt. Gesanglich zeigt er insbesondere in den gefühlvollen Momenten, beispielsweise in der Ballade „Ich fühl dich, Johanna“, stimmliche Stärke.

Auch die vermeintlich kleineren Rollen sind großartig besetzt: Julius Störmer beeindruckt als traumatisierter Tobias Ragg mit sensiblem Spiel und starker Bühnenpräsenz. Andreas Laurenz als Richter Turpin überzeugt durch markante Stimme und ein kaltes Spiel. Nina Janke wächst dem Publikum als schrullige Bettlerin mehr und mehr ans Herz – was sich schlussendlich im unerwartet kräftigen Applaus für diese vergleichsweise kleine Rolle widerspiegelt.

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Die Show in Dortmund

Unter der Regie von Gil Mehmert wird das nunmehr über vierzig Jahre alte Stück zwar klassisch, jedoch mit modernen Inszenierungselementen umgesetzt. Das abseits seiner Gesangseinsätze fast gänzlich stumme Ensemble der Folkwang Universität begleitet das Geschehen rund um den Ofen wie eine unheimliche Schattenfigur. Dank der großen Anzahl an Ensemblemitgliedern lassen sich aufwendige Ensembleszenen, wie der Rasurwettbewerb oder der Andrang auf Mrs. Lovetts Pasteten gelungen umsetzen. Das Bühnenbild von Jens Kilian zeigt einen monumentalen Backofen. Durch Türen und Klappen entstehen auf, in und vor diesem neue Räume und Spielebenen. Machtvoll über allem thront der Barbierladen über dem Ofen. Zusätzliche Requisiten werden kaum verwendet. Das Lichtdesign von Michael Grundner ist klassisch angelegt, trägt jedoch dazu bei, den Szenen auch auf visueller Ebene Tiefe zu verleihen. So wird die Bühne bei den Morden Sweeney Todd’s in blutrotes Licht gehüllt, das die Dramatik wirkungsvoll unterstreicht. Auf künstliches Blut oder übertriebene Effekte kann dadurch verzichtet werden. Das Kostümdesign von Falk Bauer trägt zur düsteren Stimmung des Stückes bei und grenzt die Charaktere und ihre Eigenschaften klar voneinander ab. Die jahrelange Leidensgeschichte des Benjamin Barker spiegelt sich in seinem Kostüm ebenso wider, wie die schrullige Exzentrik bei Mrs. Lovett.

Die Inszenierung von „Sweeney Todd“ am Theater Dortmund überzeugt durch starke Darstellerinnen und Darsteller, ein symbolkräftiges Bühnenbild und eine kraftvolle musikalische Umsetzung. Gil Mehmert verbindet klassische Regie mit modernen Elementen und schafft so eine düstere, spannende Atmosphäre, die das Publikum bis zuletzt fesselt.

Besuchte Vorstellung: 03. April 2025

Vielen Dank an das Theater Dortmund für die freundliche Bereitstellung der Pressekarte für „Sweeney Todd“

(Bildquelle (c) Björn Hickmann)

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